
Früher war doch nicht alles besser –
Aber es war auch nicht alles schlechter
Von Volker Hornung und Christine Stadel
Einstimmung
Die Cousine meiner Frau, Christine Stadel aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt ist ein sehr geschichtsinteressierter Mensch. In dieser Eigenschaft hält sie sich sehr oft im Archiv ihrer Heimatstadt Sangerhausen auf wo sie besonders die dort vorhandenen Tageszeitungen „Sangerhäuser Zeitung“ und „Mitteldeutsche Nationalzeitung“ durchforstet und viele interessante Geschichten aus der Geschichte aufstöberte. Sie liefert ihre Funde auch an das dortige Spengler Museum und andere interessierte Personen und Vereine. Auch mich beliefert sie ständig mit neuen alten Nachrichten. Dadurch kam ich auf die Idee, mit diesen Pressemitteilungen vergangener Tage in einem Buch zur Geschichte der Region Sangerhausen/Mansfeld und zuweilen auch darüber hinaus, den Menschen die Geschichte dieser Region in der Zeit von ca. 1870 bis 1936 unterhaltsam nahezubringen.
Sehr interessant sind sicher für die Menschen von heute die kleinen Begebenheiten im Alltag der Menschen genauso wie der mangelhafte Arbeitsschutz in den Gruben des Mansfelder Bergbaureviers. Die vielen Selbstmorde künden von den Sorgen, welche die Menschen damals plagten oder von Ehrbegriffen und Gefühlen, welche den Betreffenden keinen anderen Ausweg ließen. Kriminalfälle spielen genauso eine Rolle wie die Elektrische Kleinbahn von Helfta nach Hettstedt. Die Offenheit der Berichterstattung damals ist bemerkenswert. Die Nennung von Klarnamen ist Usus, im Gegensatz zu heute. Ebenso eine schonungslose Schilderung von kriminellen Begebenheiten. Der Leser erfährt auch warum in Ahlsdorf die Behrensstraße jetzt Bärenstraße heißt ( siehe Abschnitt Ahlsdorf, Sangerhäuser Zeitung vom 11.07.1934).
Herauszustellen war auch der Überflug des Luftschiffes „Graf Zeppelin II“ im Jahre 1938 mit seiner Vorgeschichte, die die Zeitgenossen damals genauso faszinierte, wie 1969 die Menschen durch die Mondlandung emotional gefesselt waren. Ebenfalls hervorzuheben wäre ein Mordfall von 1935, der den gesamten Mansfelder Grund erschütterte und noch fünfzig Jahre danach Gesprächsthema der Alten war.
Zu bemerken ist, daß Rechtschreibung und Sprachstil sich im Zeitraum von 1875 bis 1938 sehr stark veränderte. Um größtmögliche Authentizität zu wahren, habe ich die Schriftsätze alle im Original übernommen. Es handelt sich also nicht um Rechtschreibfehler wenn z. B. meistens „Mansfeld“ aber einmal auch „Mannsfeld“ oder installirt statt installiert zu lesen ist.
Im Ergebnis der Studien kann man sagen, daß entgegen der heute wie damals geläufigen Meinung, daß früher alles besser war, war aber auch nicht alles schlechter. Daß diese Denkweise auch 1882 ein gesellschaftliches Thema war, beweist der in der Sangerhäuser Zeitung am 31.01.1882 erschienene Aufsatz „Die Mißachtung der physischen Arbeit und der Andrang zu den `gebildeten´ Berufsfächern.“ Da heißt es u.a.: „So verfehlt es im Allgemeinen sein mag, sich nach der `guten alten´ Zeit zurückzusehnen und über den kleineren Mängeln von heute die größeren Mängel von ehedem außer Auge zu lassen, so rasch sich bei genauerer Betrachtung des allgemeinen Fortschritts der Segen desselben darstellt, so darf man andererseits auch nicht vergessen, daß es allerdings in längst entschwundenen Zeiten einzelne sociale Erscheinungen und Zustände gab, die wir heute nur schwer und ungern vermissen können.“ Das ist aus heutiger Sicht etwas umständlich aber auch sehr schön beschrieben.
Die „gute alte“ Zeit ist also nur ein Hirngespinst der Vergesslichkeit.
Vor und nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war eine große Anzahl polnischer Bürger Deutsch – Polens und Russisch – Polens ins Mansfelder Land eingewandert (heute heißt das „migriert“, um hier sich eine Existenz aufzubauen. Das rief unter den Mansfelder Bürgern große Besorgnis hervor, da man befürchtete die Polen würden den konfessionellen Frieden hier gefährden (siehe Abschnitt „Eisleben“, Sangerhäuser Zeitung vom 16.10.1902), wenn ihnen die gleichen Rechte wie im Rheinland und Westfahlen, dem heutigen Nordrhein – Westfahlen, zugebilligt würden, was am Ende nicht verhindert werden konnte. Aus mündlichen Berichten von älteren Leuten, die damals gelebt haben, entnehme ich, daß die Polen auch für eine höhere Kriminalität verantwortlich gemacht wurden. Merkwürdigerweise sind in den Zeitungsartikeln der damaligen Zeit aber polnische Namen sehr selten, bis garnicht zu finden. Vielleicht nur eine zeitweilige gefühlsmäßige Unsicherheit, da das Verständnis füreinander fehlte? Die Integration gelang aber im Laufe der Zeit.
Weit schwerwiegender war aber die flächendeckende Umwandlung der Standesämter im Deutschen Reich in nationalsozialistische „Sippenämter“, 1934/35 (siehe Kapitel „Mehr aus dem Mansfelder Land, Deutschland und der Welt“, Sangerhäuser Zeitung vom 18.10.1934). Hier ging es um die Beihilfe zur Vernichtung der jüdischen und erbkranken Mitbürger. Es ging um Beihilfe zum millionenfachen Mord in Holocaust und Euthanasie. Damals 1934/35 war das für normale Menschen unvorstellbar aber dennoch ist es geschehen. Deshalb ist die strikte Abgrenzung gegen so eine menschenfeindliche Ideologie unbedingt nötig, da wir ja heute wissen, was daraus erwachsen kann. Wir sehen schließlich auch wie fruchtbar dieser Schoß heute noch ist, aus dem das kroch, um den großen Bertold Brecht zu zitieren.
Eine Besonderheit der Mansfelder Bevölkerung ist ihre Sprache. Leider kann dies hier nicht ausführlich behandelt werden, aber man muß ein wenig darüber informiert sein um die Hintergründe, also die Aura mancher Zeitungsmeldung zu verstehen. Wenn einem Nicht-Mansfelder schon mal die Segnungen der Mansfelder Sprache ungefiltert um die Ohren geflogen sind, weiß dieser, spätestens dann, was herzhaft ist. Aber das ist durchaus nicht negativ gemeint. Was ernst oder sogar grob bzw. ungehobelt klingt, das hat sehr oft auch einen herben und exotischen Charme.
Hier einige Beispiele:
In einem Fall aus den 1950er Jahren fällt der Schüler Rainer P. in der Schule in Ahlsdorf immer wieder auf, weil er andere Schüler „grob beschimpft“. Der verantwortliche Klassenlehrer sucht seine Mutter auf um die Gründe für das Verhalten des Sohnes herauszufinden. Die Mutter erklärt, ehrlich berührt aber ratlos und zerknirscht: „Ich wääs aach niche wo der Saukrebel die Mistreden her hat.“ Ist das nicht köstlich? Das ist entwaffnend. Das erklärt sich selbst.
In einem anderen Fall sitzt Frau Margarete L. aus Ahlsdorf in einem Reisebus um in den 1950er Jahren von Eisleben in ihren Urlaubsort auf der Insel Rügen, an der Ostsee zu gelangen. Unterwegs wurde eine Rast eingelegt, damit man sich stärken und die beiden Fahrer, ebenfalls aus Eisleben, sich am Lenkrad ablösen konnten. Plötzlich gerieten sie aus irgend einem Grunde in Streit. Da nahm der eine Fahrer plötzlich seine Thermosflasche und fuchtelte wild damit herum und brüllte: „Aas, ich verbriehe dich!“ Margarete L. konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen, denn anschließend ging es zwischen den Beiden in Frieden und Freundschaft weiter.
Der nächste Fall ist aus dem Jahre 1945. Am 02. Juli kamen die Russen nach Ahlsdorf. Sie bezogen in der Hauptstraße ihre Ortskommandantur und beschlagnahmten das Haus der Familie Seidel.Zuerst wollten sie die Steinbrechtsche Villa requirieren. Da Bürgermeister Hentschel aber die Hände über dem Kopf zusammenschlug, sich die Haare raufte und erklärte: „Ach Jott, herrjemersch nee! Jenossen, wu sullichenn die janzen Leide da ungerbringen“. In der Einfamilien-Villa waren immerhin 4 Familien mit ca. 20 Angehörigen, einschließlich der einquartierten Umsiedler aus den deutschen Ostgebieten untergebracht. Das sahen die Russen ein und bezogen das Seidel-Haus.
Bürgermeister Hentschel konnte also einiges bewirken.
Das war auch so als derAhlsdorfer Otto Schad beschuldigt wurde, schwarz geschlachtet zu haben. Das konnte dem Otto Schad einige Unannehmlichkeiten einbringen. Hentschel wußte auch nicht wer es war, er hatte es nur so erfahren: Eines Tages lag ein Zettel in seinem Briefkasten mit der Botschaft „OTTO SCHAD HAT SCHWARZ JESCHLACHT“. Da ging er zu ihm. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit sagte er: „Otto, welches Schwein hat dich da verfiffen, daß du schwarz jeschlacht hast. Jetz muß ich widder mit Engelszungen uff de Jenossen einschwatzen, wenn die aach was jekricht hamm. Awwer braachst kääne Angest ze hann, dier bassiert nischt“. Und tatsächlich, die Sache hatte kein Nachspiel.
Richtig brutal klingt der Mansfelder Dialekt, wenn Gewalt mit im Spiel ist. So geschehen, als die Sangerhäuser Zeitung am 22.03.1904 aus Eisleben (siehe Abschnitt Eisleben) von einer Gewalttat berichtete: Der Arbeiter E. verfolgte Frau B. im Zorn und stieß mit einer Mistgabel nach ihr. Wütend brüllte er: „Du elende Mistsau, ich schmeiße dich de Jawwel ins Greize.“ Zum Glück verfehlte der Stoß sein Ziel. Die Gabel blieb in der Tür stecken. Dieser Satz aber, wirklich gesprochen und durch Mund-zu-Mund-Propagande als authentisch verbreitet, blieb im kollektiven Gedächtnis haften. Von den Alten wurde er noch lange als Gleichnis, Metapher oder Geflügeltes Wort verwendet, obwohl der Anlass des Entstehens ein düsterer war.
Besondere Schwerpunkte des Buches bilden in geographischer Hinsicht der Mansfelder Grund, das weitere Mansfelder Gebiet und die Stadt Sangerhausen. Darüber hinaus in thematischer Hinsicht die Elektrische Kleinbahn von Helfta nach Hettstedt. Mehr aus dem Mansfelder Land, Deutschland und der Welt. Der Zeppelin-Hype der 1920er und 1930er Jahre. Sowie der Mord im Jahre 1935, der niemanden im Mansfelder Grund (und darüber hinaus) unbeeindruckt ließ.
Es ist gelebte Geschichte die dieses Buch vermitteln will. Und die ist immer interessanter als trockene Geschichtsdaten, denn es ist die illustrierte Geschichte unserer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern mit Tragödien aber auch mit Glücksmomenten, die an uns vorbeizieht, ein intensiveres Empfinden für deren Lebensalltag erzeugt und uns zum Nachdenken darüber anregt. Das „Kopfkino“ das beim Lesen automatisch in Gang gesetzt wird, ist faszinierend, auch weil die Örtlichkeiten von damals noch heute Vielen bekannt sind. Jeder wird erkennen: Trotz aller Probleme und Sorgen von heute, leben wir besser, viel besser als unsere Vorfahren, damals, in der „guten alten“ Zeit.
Und nun viel Vergnügen beim „Inhalieren“, Lesen oder Konsumieren des Damals im Heute!
Mansfelder Grunddörfer
1. Ziegelrode
Sangerhäuser Zeitung (SZ) vom 24.07.1884
Helbra den 23.Juli. (Raub) Am letzten Lohntage ist der Bergmann Emil Kampf aus Ziegelroda (gemeint ist Ziegelrode – Anm. d. Verf.) , als er Abends zwischen 9 und 10 Uhr sich von hier nach hause begeben wollte, unterwegs von zwei ihm unbekannten Bergleuten angefallen, gemißhandelt und seiner Baarschaft im Betrage von ohngefähr 150 Mark beraubt worden. Ein der That verdächtiges Individuum ist in der Person des Bergmanns M. Z. aus Ahlsdorf gefänglich eingezogen und von Kampf als einer von den Räubern erkannt worden. Bis jetzt leugnet der Verhaftete zwar; vielleicht gelingt es aber, ihn zu überführen und auch seinen Gefährten zu ermitteln.
2. Ahlsdorf
Sangerhäuser Zeitung (SZ) vom 26.05.1882
Grundstück- resp. Geschäftsverkauf. Sonnabend , den 10. Juni d. Js., Nachmittag 4 Uhr, verkaufe ich im Gasthof zur Stadt Hamburg zu Ahlsdorf, die beiden sehr frequenten und nahrungsreichen Hausgrundstücke, sehr geräumig mit schönem Garten, des Materialwarenhändlers Herrn Leopold Beinroth daselbst, worin ein flottes Materialwaren=Geschäft betrieben wird und in den Hausgrundstücken noch eine Bäckerei sehr gut eingerichtet werden kann, wozu sogar ein Bedürfniß vorhanden ist. Zahlungsbedingungen sind günstig und Übernahme erfolgt zum 1. October d. J.
Eisleben, den 25. Mai 1882. Wagner, Secretair u. Agent.
SZ vom 22.06.1893
Rollsdorf, 18. Juni. So viel auch schon davor gewarnt ist, dem trügerischen Seeboden zu trauen, so wenig findet diese Warnung Beachtung. Kam da gestern ein Fuhrwerksbesitzer aus Ahlsdorf mit einigen Fahrgästen, die gewiß Abschied nehmen wollten von dem blauen Auge des Mansfelder Landes, hierher gefahren. Während seine Passagiere am Seeufer entlang promenirten, folgte ihnen der Herr mit seinem Wagen. Doch jedenfalls hatte er sich zu weit auf den Uferrand des zurückgetretenen Sees vorgewagt, denn plötzlich saßen beide Pferde bis zum Bauch in dem zähen Schlamm und fanden Dank ihrer heftigen Bewegungen, die sie machten um sich emporzuarbeiten, vor seinen Augen immer tiefer ein. Herbeigeeilter Hülfe gelang es, das eine Pferd verhältnismäßig bald aus der Gefahr zu retten und wieder auf festen Boden zu bringen, das andere dagegen konnte erst mittelst langer Stricke, die von dem gewerkschaftlichen Versuchsschacht herbeigeholt werden mußten, emporgewunden und schließlich, nachdem ein paar Pferde an das Seil gespannt waren, herausgezogen werden. An derselben Stelle oder wenigstens ganz dicht dabei brach dieser Tage bereits ein Pferd, das einer Zigeunertruppe gehörte und zur Tränke geführt werden sollte, in den Schlamm ein. Dasselbe konnte ebenfalls nur mit knapper Noth gerettet werden.
SZ vom 30.01.1900
Ahlsdorf, 29. Jan. (Ein überraschender Anblick.) wurde heute Morgen kurz vor 7 Uhr mehreren Passanten der an der Schule entlang führenden Straße zu Theil. Dort lag nämlich bis auf´s Hemd ausgezogen ein junger Mensch und schlief den Schlaf des Gerechten. Seine Sachen lagen sämtlich neben ihm, Rock, Hose, Uhr, alles war da. Man machte den Schläfer, der ganz starr gefroren war, munter und half ihm dann, so gut es in seinem schlaftrunkenen oder betrunkenen Zustande gehen mochte, in die Sachen, auch fragte man ihn, wes Geistes Kind er sei. Doch war nichts aus ihm heraus zu bringen und schließlich torkelte er weiter die Straße hinab. Der müde Schläfer hat jedenfalls das Pflaster der Straße für sein Bett gehalten.
SZ vom 01.06.1901
Helbra, 30. Mai. (Vom Unwetter.) Die Landwirthe, deren Roggenfelder durch Hagelschlag gelitten, lassen diese Frucht jetzt abmähen, um die Felder noch mit Kartoffeln zu bestellen. – Das Unwetter am Sonnabend hat in den Fluren von Volkstedt, Benndorf, Ziegelrode, Ahlsdorf und Hergisdorf ebenfalls arg gehaust. Die Creisfelder Flur wurde weniger betroffen. Das Gewitter kam aus Osten und nahm seinen Weg nach Westen. Der Strich, welcher vom Hagel schwer betroffen ist, mag eine Breite von 5 bis 5 Kilometern gehabt haben.
SZ vom 01.09.1903
Ahlsdorf (bei Eisleben), 31. Aug. In der vergangenen Nacht wurde der ledige Arbeiter Gräser von hier von dem Knecht Stutzenbecher aus Leinungen, welcher auf hiesigem Gute in Stellung ist, auf der Dorfstraße mit einem Messer in den Unterleib gestochen, so daß die Gedärme heraustraten. Gräser verstarb alsbald an den erhaltenen Stichwunden. Der Mörder, welcher festgenommen wurde, soll vorher von mehreren jungen Leuten gehänselt worden sein; ob Gräser dabei beteiligt gewesen, wird die Untersuchung ergeben.
SZ vom 04.09.1903
In der Ahlsdorfer Mordaffaire, über die wir in der Dienstagnummer berichteten, war ein Knecht Stutzenbecher aus Leinungen als Täter bezeichnet. Wir stellten (…) fest, das ein Mann solchen Namens weder in Großleinungen noch in Kleinleinungen und die Meldung auf diese Orte demnach keinen Bezug hat. Jetzt wird uns nun berichtet, daß der Attentäter doch in unserer Gegend ansässig war und in Bennungen gewohnt hat. Man schreibt uns: Bennungen, 31. Aug. Der in der Notiz über die Mordangelegenheit in Ahlsdorf genannte Knecht heißt nicht Stutzenbecher, sondern Sturzebecher, war ein früherer Sachsengänger auf hiesigem Rittergute, hat sich hier verheiratet und ging später als Hüttenarbeiter nach Helbra. Vor einiger Zeit wurde er dort entlassen und arbeitete zuletzt als Knecht. Die hier lebende Ehefrau und zwei Söhne sind als Familienmitglieder zu bedauern wegen dieses Falles. Die Mordtat ist auf der Ahlsdorfer Dorfstraße am Nürnberg´schen Gasthofe geschehen, wo mehrere junge Leute mit St. zusammentrafen Daß St. von ersteren gehänselt worden ist, scheint festzustehen, von anderer Stelle wird gesagt er (Gläser) habe sich von einem Kameraden einen Stock geben lassen um St. eins auszuwischen. In diesem Augenblick ist St. Auf Gräser losgestürzt und hat ihm mit seinem Messer den Leib von oben bis unten aufgeschlitzt. Mit dem Rufe: „Ich bin gestochen!“ Ist G. noch einige Schritte gegangen und dann zusammengebrochen. Erst auch sofort, ohne noch ein Wort weiter zu sagen, verstorben. St. ist nach dieser Bluttat weggelaufen. Zwei von der Schicht heimkehrende Hüttenleute und einige Gäste aus dem Nürnberg´schen Gasthof beschäftigten sich mit dem junge G., besorgten eine Karre, legten Stroh darauf und ließen die Leiche nach Hause fahren. Der Anblick derselben, aus deren Leibe die Eingeweide heraustraten, soll ein schrecklicher gewesen sein. Ungefähr eine Stunde nach der Tat war St. in dem Lange´schen Gasthof. Hier hat er Äußerungen getan, daß er einem ordentlich eins ausgewischt habe. Vom Gasthof begab er sich zu einem Kameraden, in dessen Familie Kindtaufe gefeiert wurde, und hier wurde er vom Wachtmeister Krämer um 1 Uhr verhaftet. Zu den Kindtaufsgästen hat er sich ebenso geäußert wie in dem Lange´schen Gasthof. Zu dem Gendarm hat er dann gesagt, daß er einen Verwandten, einen Schwager, um die betreffende Zeit zur Bahn gebracht habe und von nichts wisse.
SZ vom 16.09.1903
Ahlsdorf, 13. Sept. Am Freitag fand im Nürnberg´schen Lokale in von der Königl. Staatsanwaltschaft zu Halle a. S. Wegen der Sturzebecher´schen Mordtat anberaumter Lokaltermin statt, in dem sämtliche Zeugen vernommen wurden, auch eine genaue Besichtigung des Tatortes etc. vorgenommen wurde. Wie wir hören, hat Sturzebecher die Tat noch nicht eingestanden.
SZ vom 29.04.1909
Ahlsdorf. Ein frecher Spitzbube hat drei Zentner Saatkartoffeln gestohlen, die der Bergmann Karl Alte am Sonntag von Pölsfeld mit Geschirr geholt und die er gleich auf seinem unweit des Hergisdorfer Bahnhofes gelegenen Acker auf dem Rückwege von Pölsfeld abends abgeladen und mitsamt den Säcken dort eingebuddelt hatte, um sie am Montag vormittag zu stecken. Als er dies Vorhaben ausführen wollte, mußte er die unangenehme Entdeckung machen, daß ein anderer sich die Kartoffeln in der Nacht angeeignet hatte. Man soll dem Spitzbuben auf der Spur sein.
SZ vom 22.03.1904
Eisleben. In dem Orte Ahlsdorf sollte die Ehefrau des Bergmanns Wilhelm König beerdigt werden. Als das Grab fertig ausgeworfen war, sprang der verzweifelte Gatte der Verstorbenen in die Gruft und erschoß sich und machte so sein vierjähriges Söhnchen ganz zur Weise.
SZ vom 22.03.1904
Eisleben. In dem Orte Ahlsdorf sollte die Ehefrau des Bergmanns Wilhelm König beerdigt werden. Als das Grab fertig ausgeworfen war, sprang der verzweifelte Gatte der Verstorbenen in die Gruft und erschoß sich und machte so sein vierjähriges Söhnchen ganz zur Weise.
SZ vom 28.04.1904
Ahlsdorf. Bei einem der letzteren Militärtransporte nach Südwestafrika unter dem Kommando des Herrn Majors von Mühlenfels befindet sich auch ein Sohn des Herrn Kantor Papsch hierselbst, Theodor. Er befindet sich bei der Bäckerabteilung. Das Schiff, das ihn mit den anderen Kameraden nach Südwestafrika bringen wird, „Lucie Wörmann“, wird wahrscheinlich Ende dieser Woche in Swakopmund eintreffen.
SZ vom 01.06.1904
Ahlsdorf. Die erste Nachricht von seinem nach Südwestafrika ausgerückten Sohne erhielt jetzt Herr Kantor Papsch hierselbst in einem Briefe. Der junge Mann hat aus Swakopmund geschrieben, wo der Transport nach 22 tägiger Überfahrt am 28. April eingetroffen war. Der Brief ist datiert vom 1. Mai, an welchem Tage die Feldbäckereiabteilung noch in genanntem Orte lag. Dem jungen Manne gefällt es ganz gut. Wie er schreibt, sind die Genußmittel nicht billig. Eine Flasche Bier kostet 1,50 Mark, eine Cigarre 8 – 10 Pfennig.
SZ vom 29.04.1909
Ahlsdorf. Ein frecher Spitzbube hat drei Zentner Saatkartoffeln gestohlen, die der Bergmann Karl Alte am Sonntag von Pölsfeld mit Geschirr geholt und die er gleich auf seinem unweit des Hergisdorfer Bahnhofes gelegenen Acker auf dem Rückwege von Pölsfeld abends abgeladen und mitsamt den Säcken dort eingebuddelt hatte, um sie am Montag vormittag zu stecken. Als er dies Vorhaben ausführen wollte, mußte er die unangenehme Entdeckung machen, daß ein anderer sich die Kartoffeln in der Nacht angeeignet hatte. Man soll dem Spitzbuben auf der Spur sein.
SZ vom 23.01.1926
Ahlsdorf. Bergmannslos. Der Bergmann Paul Mezrath von hier hatte 2 x 8 Stunden im Schachte gearbeitet. Um schnell nach Hause zu kommen, benutzte er einen Leerzug (der Berkwerksbahn. Anmerkung des Verfassers), der morgens gegen 5 Uhr vom Wolfschacht bei Eisleben nach Benndorf fährt. Bei Helbra, wo der Zug Ahlsdorf am nächsten ist, aber nicht hält, sprang M. ab. Durch Fehltreten oder durch Abspringen in falscher Richtung kam der junge Mann zu Falle und geriet unter die Räder des Zuges, die ihm über Oberschenkel und Unterleib gingen. Schwerverletzt wurde M. dem Knappschaftskrankenhause zugeführt, wo er kurz nach der Einlieferung verschied. M. war erst 19 Jahre alt und der Familie wendet sich allgemeine Teilnahme zu.- Am Tage darauf ereignete sich ein weiteres Unglück unter Tage. Der Bergmann Friedrich Berghoff aus Ahlsdorf wurde durch einen Sprengschuß schwer verletzt. Die Ursache des Unglücks ist noch ungeklärt. Berghoff arbeitete schon längere Zeit mit Sprengstoffen und gilt als sehr gewissenhafter Mensch. Die bergpolizeiliche Untersuchung wird das Nähere ergeben. Die Verletzungen sind ernster Natur, es steht aber zu hoffen, daß B. mit dem Leben davon kommt. Zu Hause warten seine Frau und zwei schwer nervenkranke Kinder auf den Ernährer.
3. Hergisdorf
SZ vom 24.04.1884
Provinz und Umgegend. Hergisdorf bei Eisleben, den 22. April. (Schwere Körperverletzung). Vor einigen Tagen Abends kurz nach 9 Uhr wurde der Bergmann Maschkowiak, als er aus dem Schanklokale kam, von einem anderen Bergmann plötzlich überfallen und mehrere Male mit einem Messer in den Kopf gestochen. Der Thäter ist aber glücklicherweise ermittelt und entgeht seiner Strafe nicht.
SZ vom 04.09.1926
Hergisdorf. Selbstmord. Die Frau des Bergmanns Haft nahm in selbstmörderischer Absicht Salzsäure. Trotzdem die sofortige Ueberführung in das Eisleber Krankenhaus erfolgte, starb die Lebensmüde nach etlichen Tagen qualvollen Leidens an den Verbrennungen der Verdauungsorgane.
4. Kreisfeld
SZ vom 02.01.1892
Eisleben, 31. Dec. (Verhaftet.) Der umsichtigen Thätigkeit der beiden Herren Gendarm Krähmer in Creisfeld und Gendarm Schmelzkopf in Hergisdorf ist es gelungen, die Thäter des am 26. d. M. im benachbarten Wolferode ausgeführten Raubanfalles ausfindig zu machen. Es sind dies das früher bei dem Überfallenen, Herrn Holschke bedienstet gewesene Mädchen Bertha Gelbke aus Wolferode, sowie deren Schwager, der SchuhmacherKarl Köhler in Berlin. Das Dienstmädchen hat erst am 1. Nov. d. J. Ihren Dienst verlassen, war kürzlich in Berlin und hat dort mit ihrem Schwager alles Nähere über den beabsichtigten Raub verabredet. Am 2. Weihnachtsfeiertag Abends traf dann Köhler in Wolferode ein und beide schritten dann zur Ausführung ihres ruchlosen Vorhabens. Während Köhler Herrn Holschke knebelte und festhielt, raubte die Gelbke die Werthpapiere, Geld und Kassette mit Schmucksachen u. s. w. Köhler kehrte nach vollbrachter That noch in derselben Nacht zurück. Die eiserne Kassette vorne vorgestern Nachmittagen der Nähe des Sanderschachtes bei Helbra zertrümmert aufgefunden; dieselbe enthielt noch die Schmucksachen, als: Ohrringe, Broschen, Ringe u. s. w., dagegen waren die darin befindlichen Geldbörsen sämmtlich geleert. Die Bertha Gelbke, welche bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung seitens der beiden genannten Gendarmen die That eingestand, wurde bereits gestern Nachmittag von denselben dem hiesigen Amtsgericht eingeliefert, während die Verhaftung Köhlers telegraphisch angeordnet ist.
SZ vom 19.07.1892
Hettstedt, 17. Juli. Infolge der gewaltigen Wassermassen, welche den Ottoschacht bei Eisleben und den Martinsschacht bei Kreisfeld völlig außer Betrieb gesetzt haben, hat in voriger Woche einem Gesammtentlassung von 1000 Mann stattfinden müssen, worüber natürlich in dem ganzen an dem Bergwerke inertessirten Bezirke große Aufregung herrscht, noch dazu wenn man bedenkt, welche Umwälzungen nothwendig geworden sind und welche Mühen der Direktion erwachsen, um die etwa 3 400 Mann Belegung des Ottoschachtes, 1 600 Mann Belegung des Martinschachtes anderweitig unterzubringen. So sind die Mannschaften aus Wolferode Wimmelburg, Kreisfeld und Hergisdorf nach dem Ernstschachte bei Helbra verlegt worden und ebensoviele von dort nach den Schächten bei Mansfeld. Die Mannschaften aus Eisleben, Helfta und Umgegend, etwa 1000 an der Zahl, werden täglich mittels Sonderzüge der Staatsbahn nach Bahnhof Hettstedt befördert und fahren auf dem Eduardschachte bei Hettstedt an, dessen Arbeiter zum Theil nach dem Glückhilfsschachte bei Welfesholz verlegt worden sind. Der erste Extrazug mit 500 Mann gelangt früh 1/2 5 Uhr hier an. Der zweite mit einer gleichen Anzahl Nachmittag 1/2 2 Uhr. Letzterer führt die 500 Frühschichter Nachmittag 1/2 4 Uhr vom hiesigen Bahnhofe aus zurück nach Eisleben, kehrt des Abends wiederum nach hier, um die anderen 500 Mann von der Nachmittagsschicht Nachts 1/2 12 Uhr ebenfalls ab Bahnhof Hettstedt ihrem Heim wieder zuzuführen. Hierdurch erwächst den Leuten eine Sonderausgabe von 3 Mark 80 Pfg. fürs Wochenbillet, welche dieselben bis jetzt von ihrem Schichtlohn aufbringen müssen, wozu aber die Direktion in ihrer bekannten Opfer(-bereitschaft einen Theil beisteuert).
Weiteres Mansfelder Gebiet
5. Helbra
SZ vom 03.06.1904
Helbra. Eine exemplarische Strafe haben von der Strafkammer zu Eisleben in der Dienstags – Sitzung die Bürschchen erhalten, die am Februarlohntag in der Segerschen Gastwirtschaft zu Bhf. Mansfeld sich schwere Ausschreitungen haben zu Schulden kommen lassen. Es wurden verurteilt wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung Galla zu 9, Heyer zu7, Anton Dalfior zu 9 und Fr. Schmidt zu 2 Monaten Gefängnis.
SZ vom 01.05.1912
Helbra. Mehrere Kinder spielten am Wasser in der Nähe der Bierniederlage bei „Bad Anna“. Plötzlich stürzte das vierjährige Mädchen M. in das an der dortigen Stelle ziemlich tiefe Wasser. Während verschiedene Kinder fortliefen, um Rettung zu holen, sprang die achtjährige Duschika schnell ins Wasser und brachte die Kleine wieder ans Land.
6. Benndorf
SZ vom 15.11.1928
Benndorf. Am 13. d. Mts. zwischen 8 und 24 Uhr haben Spitzbuben vom Privatmann Fritz Büchner gefälltes Baumstammholz in der Grund gestohlen und mit einem Handwagen abtransportiert. Personen, die Auskunft über die Täter geben können, werden gebeten, dies der zuständigen Polizeibehörde mitzuteilen.
6. Klostermansfeld
SZ vom 23.12.1904
Bhf. Mansfeld. Hier stieß einem Einwohner B. am Sonnabend ein eigenartiges Mißgeschick beim Schlachten zu. Man hatte das Schwein aus dem Stalle geholt, angebunden und umgeworfen. Da machte das Tier, jedenfalls wild geworden durch die unhöfliche Behandlung, plötzlich noch eine Wendung und schnappte nach dem Bein des betreffenden Herrn. Mit den Hauern riß dasselbe nicht nur die Hose entzwei, sondern verletzte auch das Schienbein auf eine Länge von 6 Zentimetern und eine Tiefe, daß der Knochen zu sehen war und die Wunde genäht werden mußte.
SZ vom 02.10.1926
Klostermansfeld. In diesen Tagen ist der hiesige Segelflieger, der Elektromonteur Walter Krahl, von den Schulflügen in der Rhön (Wasserkuppe) zurückgekehrt und hat sich in der Klostermansfelder Heimat nach einem geeigneten Gelände zur Fortsetzung seiner Segelflüge umgesehen. Mehrere Höhen der Umgegend sind überraschend günstig. Sobald die finanzielle Frage gelöst ist, soll die Segelfliegerei im Vorharzgelände beginnen.
SZ vom 28.10.1926
Klostermansfeld. Bei der Arbeit verunglückt.
Aus dem Zirkelschacht geriet beim Rangieren der verheiratete, 42 Jahre alte Bergmann Albert Klitsche von hier zwischen zwei Maschinen, wodurch er gequetscht wurde und einen Beckenbruch erlitt. Der Bedauernswerte wurde sofort in das Knappschaftskrankenhaus nach Hettstedt gebracht.
SZ vom 28.06.1926
Klostermansfeld. Versuchter Selbstmord. Der 19 jährige Bergmann Karl Kufe aus Eisleben, der mit einem jungen Mädchen in Mansfeld ein Liebesverhältnis unterhielt, hat sich am Dienstag abend auf dem Nachhausewege von Mansfeld nach Eisleben in selbstmörderischer Absicht mittels eines Revolvers einen Bauchschuß beigebracht und zwar in unmittelbarer Nähe des Schlosses, wo ihn Passanten auffanden. Der schnell herbeigerufene Oebster Friedrich und der Flurschutzangestellte Schulz versuchten, dem jungen Manne, der noch Lebenszeichen von sich gab, die erste Hilfe zu leisten, bis der ebenfalls sofort benachrichtigte Sanitätsrat Dr. Fichtner die weiterten Anordnungen traf und bei der hiesigen Ortspolizei die schleunigste Überführung des Schwerverwundeten nach dem Eisleber Krankenhause mit dem hier eingestellten Auto der Kreis – Landkrankenkasse veranlaßte. Wie von dort berichtet wurde, soll wenig Aussicht auf Erhaltung des Lebens des Kuba vorhanden sein. Ueber die Beweggründe, die den Lebensmüden zu diesem Schritte bewogen haben, ist genaueres bisher nicht bekannt geworden.
7. Eisleben
SZ vom 26.02.1880
Eisleben, den 21. Februar. Gestern verunglückte im Otto – Schachte bei Wimmelburg der Bergmann Bruno Hübner aus Wolferode dadurch, daß er beim Sprengen des Schieferflötzes nicht die nöthige Vorsicht gebrauchte, in Folge dessen er von den Sprengstücken lebensgefährlich verletzt wurde. Er ist sofort nach dem hiesigen Knappschafts – Kranken-hause geschafft, wo er heute seinen schweren Verletzungen erlag. Der Verunglückte hinterläßt eine Frau und zwei unerzogene Kinder.
Eisleben, den 21. Februar. Gestern verunglückte im Otto – Schachte bei Wimmelburg der Bergmann Bruno Hübner aus Wolferode dadurch, daß er beim Sprengen des Schieferflötzes nicht die nöthige Vorsicht gebrauchte, in Folge dessen er von den Sprengstücken lebensgefährlich verletzt wurde. Er ist sofort nach dem hiesigen Knappschafts – Kranken-hause geschafft, wo er heute seinen schweren Verletzungen erlag. Der Verunglückte hinterläßt eine Frau und zwei unerzogene Kinder.
SZ vom 22.03.1904
Eisleben. Vor einigen Tagen gerieten Bewohner des Hauses Rohrbornstraße 6 aus geringfügiger Ursache in Streit, wobei sich der Arbeiter E. so erregte, daß er die flüchtende Frau B. mit Totstechen bedrohte und mit einer Mistgabel nach ihr stieß. Der Stoß verfehlte jedoch sein Ziel und die Gabel blieb in der Tür stecken.
SZ vom 14.06.1926
Eisleben. Weil er eine neue Ehe eingegangen war, ohne daß die alte für nichtig erklärt worden war, verurteilte das Schöffengericht den Kaufmann Wilhelm Kippenberger zu einem Jahr Gefängnis und drei Jahre Ehrverlust. Zwei Monate Untersuchungshaft gelten als verbüßt.
8. Hettstedt
Sangerhäuser Zeitung (SZ) vom 05.07.1882
Hettstedt, 3. Juli. Der hiesige Kriegerverein feierte heute den Gedenktag der blutigen aber entscheidenden Schlacht bei Königgrätz. Hierzu waren etwa 100 Krieger auf dem Marktplatze um das Denkmal herum, welches die Namen der 1866 und 70/71 Gefallenen trägt, angetreten. Die Musik eröffnete die Feier mit den Chorale: „Lobe den Herrn“, worauf in kurzen Worten an den heutigen Tag vor 16 Jahren erinnert und zum Schluß ein dreimaliges Hoch auf unsern allverehrten Kaiser ausgebracht wurde. Hierauf bewegte sich der Zug nach dem Vergnügungs – Locale, dem Schützenhause.
SZ vom 06.05.1898
Hettstedt, 4. Mai. Gestern wurde der Hüttenmann August Seidenstücker aus Unterwiederstedt von seinem Schwager mit einem Schippenstiel so heftig über den Kopf geschlagen, daß er einen schweren Schädelbruch erlitt und seine Aufnahme ins Knappschaftskrankenhaus erfolgen mußte, wo er hoffnungslos darniederliegt.
SZ vom 13.07.1926
Ein Hettstedter der Erbauer der Zugspitzbahn.
Der Erbauer der Zugspitzbahn, die vor kurzem dem Betrieb übergeben wurde, ist ein Hettstedter. Der Ingenieur Friedrich Kern, Hadebornstraße 81 wohnhaft, war von der bauausführenden und bekannten Firma Ad. Bleichert & Co., Leipzig, mit der alleinigen Leitung des Baues beauftragt. Er wurde der ihm übertragenen verantwortungsvollen Aufgabe voll und ganz gerecht. Der Zugspitzbahnbau ist ein Meisterwerk deutscher Ingenieurkunst.
9. Sangerhausen
Sangerhäuser Zeitung (SZ) vom 18.03.1876
Anzeige: Benachrichtigung. Mehrfachen Wünschen der Herren Militärpflichtigen nachkommend, zeige ich hiermit ergebenst an, daß die Badeanstalt zum Gesundbrunnen am Sonntag den 19. März, von Vormittags 10 Uhr bis Nachmittags 6 Uhr geöffnet ist. Fr. Kirmetz.
Sangerhäuser Zeitung (SZ) vom 20.03.1879
Anzeige: Badeanstalt zum Gesundbrunnen. Den betreffenden Herren Militärpflichtigen hiermit zur Nachricht, daß wegen der morgen stattfindenden Stellung (Musterung – Anm. d. Verf.) die Badeanstalt heute Donnerstag von früh 10 bis Abends 6 Uhr geöffnet ist.
Fr. Kirmetz.
10. Elektrische Kleinbahn Helfta – Hettstedt
Sangerhäuser Zeitung SZ vom 08.03.1897
Eisleben, 5. März. (Hettstedt – Eisleben.) Was von skeptischen Gemüthern immer stark bezweifelt wurde, ist nun zur Thatsache geworden. Der Minister hat das Projekt der elektrischen Bahn Hettstedt – Eisleben (Helfta) genehmigt. Die Handelswelt verspricht sich viel von der Erschließung der Grunddörfer durch bequeme und schnelle und hoffentlich auch billige Bahnverbindung. Jedenfalls geht es mit Volldampf an die Bauarbeiten.
SZ vom 25.05.1898
Eisleben, 22. Mai. (Elektrische Bahn nach Hettstedt.) Der Bau der elektrischen Bahn nach Hettstedt scheint doch in diesem Jahre keinen Abschluss finden zu sollen. Es wird noch nicht damit begonnen.
SZ vom 03.02.1899
Helbra, 1. Febr. Mit den Erdarbeiten für die Elektrische Bahn ist Ende voriger Woche auch in Ahlsdorfer Flur bei Ziegelrode begonnen. Der Damm von der über die „Böse Sieben“ erbauten Brücke nach der Chaussee Ziegelrode – Ahlsdorf wird zunächst in Angriff genommen.
SZ vom 27.11.1899
Bahnhof Mansfeld, 24. Novemb. Die Eröffnung der elektrischen Bahn ist nach gestrigem Beschluss des Aufsichtsrathes für den 1. Januar 1900 in Aussicht genommen. Ende Dezember sollen die Probefahrten stattfinden. Der Obercontrolleur Just will dieselben mit den dreißig in dieser Woche eintreffenden Motorführern leiten.
SZ vom 23.04.1900
Hettstedt, 21. April. Wie wir hören, soll die elektrische Bahn, nachdem die landespolizeiliche Abnahme der Strecke Hettstedt – Mansfeld am 1. und 2. Mai stattgefunden haben wird, gewillt sein, vom 3. Mai ab den regelmäßigen Betrieb auf derselben aufzunehmen. Am Montag wird in Eisleben der Betrieb der Strecken Plan – Bahnhof – Helfta eröffnet.
SZ vom 25.04.1900
Eisleben, 24. April. (Elektrische Bahn.) Vorgestern wurde die Strecke der elektrischen Bahn Eisleben – Helfta dem Verkehr übergeben.
SZ vom 18.04.1901
Hergisdorf, 15. April. Auf dem Geleise der elektrischen Bahn entlang, in der Nähe des
Dill´schen Hauses, schob dieser Tage der 12 jährige Schulknabe Ohse eine mit einem Sack Kartoffeln beladene Karre. Hinter ihm her kam ein Motorwagen, dessen Wagenführer vorschriftsmäßig leutete, welches Signal auch von dem Jungen gehört wurde. So schnell wie der Wagen aber herankam, konnte jener seine schwere Karre nicht von dem Geleise herunter bringen und so wurde, da der Wagenführer auch nicht hielt, diese erfaßt und zertrümmert. – Gestern wurden in der Nähe der Weiche 3 Enten von einem Motorwagen überfahren und zermalmt.
SZ vom 28.01.1909
Hergisdorf. Durch die Aufmerksamkeit eines Wagenführers der elektrischen Kleinbahn wurde vorgestern nachmittag ein Unglück verhütet. In der Nähe des Ratskellers passierte ein etwa 3 jähriges Kind die Fahrgleise kurz vor Ankunft des Motorwagens. Der stark gebremste Wagen schob aber das gefährdete Kind beiseite; es fiel eine Böschung hinab auf das Eis der zugefrorenen Bösen Sieben und konnte dort unverletzt aufgehoben werden.
SZ vom 01.04.1909
Hergisdorf. Dienstag früh kurz vor 7 Uhr kam hier ein Zusammenstoß zwischen zwei Motorwagen der elektrischen Bahn vor. Der eine, ein fahrplanmäßiger, kam von Ahlsdorf, der andere, ein Bergmannswagen, aus der entgegengesetzten Richtung. In der Kurve am Rulfingschen Grundstück, woselbst ein freier Ausblick behindert ist, erfolgte der Zusammenstoß. Menschen sind glücklicherweise nicht verletzt.
SZ vom 04.02.1925
Der Mansfelder Kleinbahnstreit
Eisleben. Die Führung der neuen Linie der elektrischen Kleinbahn im Mansfelder Bergrevier von Helbra über die sogenannte Diebeskammer nach Creisfeld hat zu verschiedenen Einsprüchen geführt. Daß die Anlieger sich weigern, ihr Land herzugeben, geht schon aus dem Bericht der Kleinbahn auf ihrer Generalversammlung am 3. Juli d. Js. hervor. Wichtiger sind die Einsprüche, die von den Grunddörfern eingelegt worden sind. Diesen Einsprüchen schließt sich in sehr bemerkenswerter Weise ein Einspruch der Arbeitnehmerschaft der beteiligten Ortschaften an, der durch den gegebenen Vertreter, den Gesamtbetriebsrats-vorsitzenden der Mansfeld A. G. Eingelegt worden ist. Hinter diesem Einspruch steht naturgemäß eine ganze Reihe von Verbänden, Körperschaften und Parteien verschiedener Richtungen. Der Regierungspräsident habe sich einseitig auf den Standpunkt der Efag gestellt, die behauptet, die alte Linienführung über die Grunddörfer mache die Bahn unrentabel. Die Stichhaltigkeit dieser Behauptung wird bestritten. Die vorgesehene Verkürzung der Linie beträgt zwei Kilometer. Ob diese zwei Kilometer den Mehraufwand an Kapitalien finanziell rechtfertigen, wird als fraglich hingestellt. Es wird darauf hingewiesen, daß die 8 000 Einwohner der Grunddörfer durch hunderte von Fäden wirtschaftlicher und kultureller Art mit der Stadt Eisleben verbunden sind. Hunderte von Angestellten sind in Eisleben bei der Mansfeld A. G. Und sonstigen Unternehmungen beschäftigt. Die auf dem Klothildeschacht und der Krughütte anfahrenden Berg- und Hüttenleute müssen den gesamten Weg zu Fuß zurücklegen. Schlimmer geht es den Arbeitern und Angestellten, die infolge Abbaues im mitteldeutschen Industrie- und Braunkohlenrevier, besonders auf dem Leunawerk, Beschäftigung suchen mußten. Diese haben von den Grunddörfern bis Bahnhof Eisleben einen Anmarsch von einer bis eineinhalb Stunden und sind bei neunstündiger Arbeitszeit 13 bis 14 Stunden von daheim abwesend.
11. Mehr aus dem Mansfelder Land, Deutschland und der Welt
Sangerhäuser Zeitung (SZ) vom 10.03.1882
Gerichtswesen.
(Ehe/Familie.)Die Pflicht des Ehemannes, seine Frau zu ernähren, hört in dem Augenblick auf, in welchem sich letztere ohne Erlaubnis des Mannes von ihm trennt, respektive von ihm fern bleibt. Die polizeiliche oder gerichtliche Zurückführung einer entlaufenen Frau zum Manne ist in Preußen nicht gestattet. Der Mann muß beim Gericht Erlaß eines Rückkehrmandates beantragen, bevor er wegen böslicher Verlassung auf Trennung der Ehe klagen darf.
(Fremdenverkehr.) Der Gastwirth ist durch Gesetz nicht verpflichtet, die bei ihm logirendenFremden zu wecken. Er hat auch keine Entschädigung zu zahlen, wenn er das mündlich gegebene Versprechen, den Fremden zu wecken, nicht hält.
SZ vom 18.03.1882
Gerichtswesen.
(Eheversprechen.) Wer ohne Grund die Erfüllung eines Eheversprechens beharrlich verweigert, oder sich dazu außer Stande setzt, verliert die dem anderen Theil gemachten Geschenke, wird ihm außerdem entschädigungspflichtig und hat unter gewissen Umständen eine Abfindung zu leisten. Die Entschädigung bezieht sich namentlich auf aufgewendete Kosten für Reisen, Festmahle, Einrichtungskosten u. s. w.; doch können Geschenke nur innerhalb eines Jahres nach Auflösung des Verlöbnisses zurückgefordert werden.
SZ vom 28.01.1904
Der Aufstand im Hereroland.
Der Aufstand der Herero unterscheidet sich nach mehreren Seiten hin wesentlich von allen bisherigen Erhebungen, nicht nur in Südwestafrika, sondern in allen unseren afrikanischen Schutzgebieten. Da der Aufstand wahrscheinlich sich über das ganze Hereroland ausgebreitet hat, so steht uns ein feindliches Volk gegenüber, wie es in dieser Menge sich noch niemals erhoben hat. Niemand vermag zu schätzen, wieviel Tausende der Herero sich schon auf dem Kriegspfade befinden. Ihre Massen stehen jetzt noch wie hinter einem Schleier. Ferner hat das Land des Aufruhrs auch eine Ausdehnung von ungewöhnlicher Größe. Daraus entstehen besondere Schwierigkeiten in seiner Bekämpfung. Diese große Ausbreitung der Unruhe und die Tatsache, daß der ganze Osten den Herero offen steht, hat schon zu der Vermutung geführt, daß dieses Volk in seiner wahrscheinlichen Bedrängnis über die Ostgrenze bis nach dem englischen Gebiete ausweichen könnte. Diese Annahme kann aber nicht als wahrscheinlich angesehen werden wegen der großen Herden von Groß- und Kleinvieh. Außerdem ist das Ostgebiet, namentlich über Ganses, nach dem verschwundenen Ngamisee, eine der gefürchtetsten Durststrecken in Südafrika. Die Viehherden werden die Niederwerfung der Herero erleichtern. Nach einem den „Brauschw.(eiger). N.(euesten) N.(Nachrichten)“ zugegangenen Telegramm, welches am 26. d. Mts. In Karibib aufgegeben und über Bigo – Emden expediert wurde, hat sich bis gestern mittag das belagerte Okahandja gehalten. Das von dem Prokuristen der Firma Wecke & Voigts aufgegebeneTelegramm lautet: „Mit einigen Kleidungsstücken befinden wir uns munter auf der Feste Okahandja.“
Telegramm.
Swakopmund, 27. Jan. Aus Otjimbingwe wird gemeldet: Die Bastards sind treu. An dem Ort sind 35 Gewehre. Kronwitter erschlagen. Laut sicherer Nachricht aus Okahandja kann Zülow auch weiter aushalten. Versuche, mit Karibib Verbindung zu erhalten, sind wegen Bahnzerstörung bei Waldau vereitelt. 16 Menschen sind ermordet, 70 vermißt. Die Reparaturen bei Khau dauern mindestens noch vier Tage. Ich hoffe dann die Bahn-verbindung bis Karibib halten zu können. Die Arbeit hinter Karibib ist vorläufig eingestellt. Ich treffe Vorbereitungen, von dort zu Fuß vorzustoßen.
SZ vom 04.02.1926
Wieviel beträgt der ästhetische Wert einer Frau?
Ein Antwerpener Gerichtshof war kürzlich in der schwierigen Lage, den „ästhetischen Wert“ einer schönen Frau in einer Geldsumme abschätzen zu müssen. Ein hübsches 17 jähriges Mädchen war von einem Kraftwagen angefahren worden und hatte Verletzungen erlitten, von denen eine Schramme an der Brust zurückblieb. Bei einer Schadenersatzklage wurde ihrer Familie zunächst die Summe von 2 000 Mark zugesprochen; das genügte den Eltern aber nicht, und sie gingen an das Antwerpener Obergericht, das verfügte, das Mädchen sollte von einem Schönheitssachverständigen untersucht werden. Dieser Sachverständige ein Dr. Bromken, erklärte nach eingehender Besichtigung der Schramme, daß die junge Dame 20 Prozent ihres ästhetischen wertes verloren habe. Daraufhin sprach das Gericht der Familie einen Schadenersatz von 16 000 Mark zu und erhöhte diese Summe um 20 Prozent für den „ästhetischen Verlust“, so daß im Ganzen 19 200 Mark bezahlt werden mußten.
SZ vom 04.04.1926
Drahtlose Bildübertragungen Berlin – Wien
Berlin, 4. April. In der Nacht vom Freitag auf Sonnabend hat die erste Bildfernübertragung nach dem deutschen SystemTelefunken – Karolas von Berlin nach Wien stattgefunden. Der Berliner österreichische Gesandte Dr. Frank, Reichspostminister Dr. Stingl, Staatssekretär Dr. Bredow, Dr. h .c. Franke, Geheimrat Dr. h. c. Karl Friedrich von Siemens und Direktor Dr. h. c. Graf von Arco hatten für dieses bedeutsame Ereignis besondere Autogramme zur Verfügung gestellt. Der Bildsender befand sich in den Laborationsräumen der Telefunken – Gesellschaft und steuerte über eine Freileitung den 20 Kilowatt Deutschlandsender von Königswusterhausen an; (….).
12. Sensation dieser Zeit: LZ 127 „Graf Zeppelin“
SZ vom 19.09.1928
Glatter Start
Friedrichshafen, 18. September. Im Laufe des Tages hatte es sich rasch herumgesprochen, daß das Luftschiff am Nachmittag höchstwahrscheinlich starten werde. So säumten Tausende den äußeren Absperrungszaun des Werksplatzes. Innerhalb hatten sich namentlich auf der Anhöhe zwischen dem See (Bodensee – Anm. d. Verf.) und der Halle zahlreiche Photographen und Kinooperateure eingenistet. Ein großer Apparat zur Aufnahme eines sprechenden Films einer amerikanischen Gesellschaft ist ebenfalls aufgestellt. Um 3.20 Uhr wurde das Luftschiff aus der Halle genommen und stieg zehn Minuten später , unter ungeheurem Jubel zahlreicher Zuschauer, zum Werkstättenflug auf. In einer Höhe von etwa 100 Metern überflog es den kurzen Streifen zwischen dem See und der Halle, um dann die Richtung gegen Lindau einzuschlagen. Dr. Hugo Eckener, der weltbekannte Führer des Amerika – Zeppelin Z. R. 3 (später „Los Angeles“) ist der Kapitän des neuen Riesen – Luftschiffes „Graf Zeppelin“ (LZ 127 – Anm. d.Verf.9. Er war ursprünglich nicht Techniker, sondern Journalist, wurde aber noch von dem alten Grafen Zeppelin in den Vorstand der Deutschen Luftschffahrts – Aktien – Gesellschaft berufen und bald mit der Führung der Passagierluftschiffe betraut.
13. Ein Mord, der den ganzen Mansfelder Grund erschütterte und von dem die Alten 50 Jahre später noch sprachen!
Mitteldeutsche Nationalzeitung (MNZ) vom 28.01.1936
Der Mord im Walde von Ahlsdorf
Erster Verhandlungstag vor dem Schwurgericht Halle
In dem kleinen Ort Hergisdorf im Mansfelder Gebirgskreis lebte seit Oktober 1929 die am 18. November 1895 in Niederputzkau geborene ledige Anna Bräuer als Haushälterin bei einem gewissen Albert Ziervogel. Sie wird allgemein als eine sehr ruhige, anständige Frau geschildert, der niemand im Dorfe etwas Schlechtes nachsagen konnte. Seit 4. April 1935 wurde sie vermißt, und am 27. Mai wurde ihre Leiche zufällig im Walde in der Nähe von Ahlsdorf von einem Maiblumen suchenden Invaliden gefunden. Inzwischen waren schon am 3. Mai Albert Ziervogel und Frau Anna Grosche unter Verdacht des Mordes verhaftet worden. Der Haupttäter, der Arbeiter Paul Recke aus Ahlsdorf, hatte sich, als er festgenommen werden sollte, vor einen Zug geworfen, der ihm den Kopf vom Rumpfe trennte.
MNZ vom 06.02.1936
Nachspiel zum Mordprozeß Bräuer
Willy Grosche wegen Kuppelei zu fünf Jahren Zuchthaus Verurteilt
Der 31 jährige Willy Grosche aus Kreisfeld, der Ehemann der kürzlich vom hallischen Schwurgericht wegen Ermordung der Anna Bräuer zum Tode verurteilten Anna Grosche, stand gestern vor der dritten hallischen Großen Strafkammer unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Schröder; er hatte sich wegen schwerer Kuppelei zu verantworten. Das Strafverfahren gegen ihn als Mitwisser im Mordprozeß war eingestellt, weil er als Ehemann seine eigene Frau hätte belasten müssen. Die verurteilte Anna Grosche und auch Ziervogel, dessen Haushälterin die Bräuer war, wurden als Zeugen zu der Verhandlung zugezogen, bei der noch einmal wesentliche Teile des Mordprozesses aufgerollt werden mußten; denn in gewisser Hinsicht stand doch das Verhalten des Ehemannes Willy Grosche zu seiner Frau und die Duldung ihres Verhältnisses mit Ziervogel in ursächlichem Zusammenhang mit der Mordtat und ist letzten Endes auch mit die Triebfeder zu Anna Bräuers Ermordung geworden, da diese dem Bestreben des Ehepaares, für immer in das Haus ziehen zu können, im Wege stand.
Die Strafkammer fällte folgendes Urteil:
Der Angeklagte Willy Grosche wird wegen schwerer Kuppelei zu der Höchststrafe von fünf Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt.
In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, der Angeklagte habe angegeben, daß er dem Treiben seiner Frau machtlos gegenübergestanden habe und nichts dagegen habe tun können. Auch wenn dies der Wahrheit entsprochen hätte, würde das doch keine Entlastung für den Angeklagten sein; denn in diesem Fall hätte er sich von seiner Frau trennen müssen. Der Angeklagte habe genau Bescheid gewußt über die Beziehungen seiner Frau zu Ziervogel schon vor den Morde, und doch sei das Ehepaar nach der Tat in das Haus des Ziervogel gezogen und habe mit ihm in demselben Zimmer gewohnt. Diese an und für sich schon eine sittliche und moralische Verkommenheit verratende Handlungsweise wirke dadurch noch abstoßender, daß der Angeklagte bei der Einscharrung der Bräuer selbst mit Hand angelegt habe. Der Angeklagte habe bei der Beseitigung der Spuren der feigen Mordtat mitgeholfen und dann trotzdem den ferneren Verkehr seiner Frau mit Ziervogel geduldet; das verrate eine derartig gemeine und niedrige Gesinnung, daß nur die gesetzlich zulässige Höchststrafe am Platze sei. Aus rein egoistischen Gründen habe der Angeklagte sogar den Mord begünstigt. Der Angeklagte habe nicht nur um das Verhältnis seiner Frau gewußt, sondern es sogar gebilligt. Er habe damit die Ehe, den Grundstock unseres ganzen Volkslebens, in den Schmutz gezogen und sich außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt. Deshalb verhänge die Strafkammer gegen den Angeklagten den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre.